Die Frau in der Via Condotti trug Schwarz.
Sie ging in Trauer, die Sonnenbrille gesenkt.
Ein Fan war sie: man erkannte es an der Nase,
Die stark geliftet war und himmelwärts zeigte.
Ihr Idol war gestorben, die Sphinx des Pop.

Traurig genug: daß auch an diesem Junitag
Keiner jünger wurde, keiner zaubern konnte.
Daß hier niemand den moonwalk beherrschte,
Alles vorwärts glitt auf dem Laufband Leben,
In Roma aeterna wie in jeder anderen Stadt.

Er aber hatte nun das Handtuch geworfen,
Der Herzens-Ariel, Peter Pan in Röhrenhosen,
Die Astro-Diva aus dem Menschenmischland.
Fred Astaires schwarzer Neffe, der kreideweiß
Aus allen Schatten trat, als Super-Identität –
Auch ohne angemalte Träne der Clown.

Millionen verheulter Gesichter weltweit…
Vor dem Fernsehschirm der globale Populus,
In den Schlaf sinkend oder dabei zu erwachen,
Sah sich selbst in Videoclip-Rückblendebildern.
Ein Wesen groovt da, ruft im falschen Falsett
Nach der Kindheit: der traurigste Star der Welt.

Die Presse beschäftigt sein mysteriöses Ende.
Sueton wäre entzückt gewesen, Tacitus düster.
Fatale Zeitgenossenschaft: mit diesem einen
Gehn Jahrzehnte der eigenen Pantomime dahin.
Arme Frau in der Via Condotti. Sie tut mir leid.
Denn das ist der wahre Thriller, das und nur das.

Durs Grünbein, geboren 1962 in Dresden, ist Lyriker und Essayist. 1995 erhielt er den Büchner-Preis. Er schickte der Zeit dieses Gedicht aus Rom, wo er derzeit als Stipendiat der Villa Massimo lebt. Zuletzt erschienen seine »Liebesgedichte« als Insel-Taschenbuch.

Erschienen ist dieses Gedicht in der aktuellen Zeitausgabe Nr. 28 vom 2. Juli 2009